Es gibt eine spezielle Form des Corona-Irrlichterns und die geht so:

Covid ist eine gefährliche Krankheit. Es gibt "die Vulnerablen" und die sind sehr gefährdet und müssen geschützt werden.
Das sind die Alten und die Menschen mit "Vorerkrankungen". Ich weiß zwar nicht, was genau diese Vorerkrankungen, sprich Risikofaktoren sind (weil das allgemein nicht genau erforscht ist), aber das ist so schön simpel. Impfen gegen Covid ist gut, aber es ist nur notwendig bei "den Vulnerablen". Altermäßig beginnt das Vulnerabelsein bei genau 60 Jahren. Das heißt, alle über 60 sollten geimpft werden. Unter 60 Jahren ist es nicht notwendig - es sei denn, man hat eine "Vorerkrankung". Ansonsten gilt die Great Barrington Declaration, dass heißt eine Durchseuchung ist prima.


Das ist grober Unfug und menschenfeindlich - aus vielen Gründen und einer sei hier erläutert.

Die einschlägigen Impfstoffe sind sehr wirksam, aber sie sind es eben nicht restlos. Der wirksame Schutz gegen einen schweren Verlauf liegt eben bei "nur" 90 oder 95 %. Das heißt, von hundert Menschen, die ohne Impfung schwer erkranken, erkranken mit Impfung immer noch 5 bis 10 Menschen schwer.

Der Risikogradient bei Covid gegen das Alter ist extrem steil - exponentiell und grob mit einer Verdoppelung des Risikos mit zusätzlich 10 Jahren Lebensalter und einer Sterberate von rund 15 % bei 85-jährigen.
Das hat zur  Folge, dass das Risiko für einen 80-jährigen Geimpften immer noch deutlich höher ist, als für einen 40- oder 30-jährigen Nichtgeimpften (https://twitter.com/d_spiegel/status/1413438430109966336). Das Risiko für einen nur schweren Verlauf dürfte ein Vielfaches betragen.

Es sei denn, "die Vulnerablen" verstecken sich für die nächsten Jahre, sind sie in einem solchen Szenario, in dem sonst niemand geimpft ist, mit einer extremen Infektiösität in ihrer Umgebung konfrontiert. Das ist so, weil das Virus sehr ansteckend ist und durch die Menge der Nichtgeimpften laufen würde, wie ein Buschfeuer. Aktuell (Mitte Juli 2021) sind Großbritannien und die Niederlande Beispiele dafür, was - selbst unter der Bedingung recht hoher Impfraten - passiert, wenn alle nicht-pharmazeutischen Maßnahmen fahrengelassen werden: Starkes exponentielles Wachstum der Infektionen und sehr hohe Inzidenzen.

In Deutschland leben 30 Millionen Menschen, die älter als 60 Jahre sind oder 30% der gesamten Bevölkerung und 6 Millionen oder 7%, die älter als 80 Jahre sind.  Selbst wenn diese alle geimpft wären (und sich impfen lassen könnten, was nicht der Fall ist) würden sich unter diesen Menschen unter der Bedingung hoher Infektiösität in ihrer Umgebung sehr viele trotz Impfung infizieren und schwer erkranken.
Bis heute haben sich nur 10 oder 20 % der Menschen infiziert, der Rest ist der Infektion aufgrund glücklicher Umstände, personenbezogener Schutzmaßnahmen, aber insbesondere einer durchgehend niedrigen Inzidenz entgangen. In Großbritannien herrscht Mitte Juli 2021 bezogen auf die gesamte Bevölkerung eine Inzidenz von über 600 Infektionen auf eine Million Einwohner und Tag. Das ist ein vielfaches der Inzidenz in Deutschland zu irgendeinem Zeitpunkt seit Beginn der Pandemie. "Die Vulnerablen" wären unter diesen Bedingungen einem Bombardement ausgesetzt und die Zahl der schwer erkrankten und Toten wäre trotz hoher Wirksamkeit der Impfstoffe erheblich.