Quelle: Our World in Data - Daily confirmed new Covid-19 cases in USA and Brazil am 28.6.2020

"In Europa und inzwischen in den USA ist die Infektion so gut wie vorbei. Brasilien wird zeitversetzt folgen."

Dr. Gunter Frank, am 23.6.2020 auf der Achse des Guten

Ist die Corona-Epidemie nur ein Art von Grippe, eine auf die Grippe-Saison der Wintermonate beschränkte Infektionskrankheit, die sich mit dem Ende des Winters, dem Sonnenschein und den Temperaturen von Frühling und Sommer "von selbst", also "natürlich" erledigt wie jede andere winterliche Erkältungswelle? Und wenn ja, heißt das, dass die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie in Deutschland, gerne verkürzt als "lockdown" bezeichnet, unnötig waren?

Die Entwicklung in Deutschland und vielen anderen Ländern legt das nahe: Die Infektionszahlen stiegen mitten im Winter an und gingen in der Endphase des Winters und im beginnenden Frühling zurück.

Einige prominente Kritiker der Maßnahmen behaupten das jedenfalls: Das Virus soll "von selbst" verschwinden und Gegenmaßnahmen sind zum Teil oder in Gänze unnötig. Diese Behauptung tritt in mehreren Varianten auf: In einer sei das Virus eine im Winter auftretende Infektionskrankheit, die nach dem Winter verschwinde.

Gunter Frank schreibt:

"Der Autor bezieht sich dabei vor allem auf Brasilien, wo derzeit im brasilianischen Vorwinter die Infektionszahlen steigen. Was nicht erwähnt ist, dass sich meine Aussage vor allem auf die gut gesicherte Beobachtung bezieht, dass sich in allen Ländern eine etwa 40-tägige Phase der Verbreitung der Coronainfektionen und ein danach einsetzendes Absinken beobachten lässt.

In Brasilen(sic!) steigen die Zahlen lediglich mit einer Verzögerung von 4 Wochen an. Bei uns in Europa ist die Infektionswelle schon lange durch. In ihrem Verlauf entspricht sie genau den üblichen Winter-Virusinfektionen, die immer eine Übersterblichkeit vor allem unter alten Menschen verursachen. Dazu nochmal die Grafiken von Euromomo. Und auch hier der Hinweis, nicht nur auf die Höhe der Kurve, sondern auch auf deren Breite zu achten. Berücksichtigen Sie bitte auch, dass es bereits Publikationen gibt, die die Ursache eines großen Teils der 2020 Übersterblichkeit in den Schutzmaßnahmen selbst vermuten." (Achgut.com - Bericht zur Coronalage 10.6.2020 – rückwärts nimmer, abgerufen am 13.6.2020)

In einer anderen Variante verbreite sich das Virus über einen invarianten Zeitraum in einem bestimmten Gebiet, genauer in Nationalstaaten. Auch diese Behauptung wird von Gunter Frank vertreten:

"In diesem Zusammenhang darf ich auf meinen Bericht zur Coronalage vom 22.4.2020 verweisen. Dort ging es um die Studie von Professor Yitzhak Ben-Israel von der Universität Tel Aviv. Er hat sich den Verlauf der gemeldeten Covid-19-Fälle in verschiedenen Ländern vorgenommen. Er konnte zeigen, dass die Erkrankungszahl in jedem Land stark bis zum 40. Tag ansteigt, um dann steil abzufallen. Nach 8 Wochen ist sie dann am Abklingen, völlig unabhängig von den getroffenen Schutzmaßnahmen. Das entspricht auch den vorliegenden Untersuchungen der ETH Zürich, von JP Morgan und sogar des RKI selbst, die genau zeigen, dass die Infektion in Europa ab der 3. Märzwoche am Abklingen ist, also vor dem Lockdown (Epidemiologisches Bulletin 16. am 16. April 2020)" (Achgut.com - Bericht zur Coronalage 28.05.2020, abgerufen am 13.6.2020)

Die Behauptung besagt also, dass das Virus sich in jedem Land in einem sehr genau bestimmbaren und invarianten Zeitverlauf entwickelt - "völlig unabhängig von den getroffenen Schutzmaßnahmen" - also dass dies, so die Unterstellung, eine immanente Eigenschaft des Virus sei.

Bezogen auf China besagt diese recht steile These, dass die Epidemie, die dort anscheinend auf einige wenige geographische Gebiete beschränkt blieb, dieser 40 Tage / 8-Wochen-Regel gehorcht habe, und dass die weiten restlichen Teile des Landes nicht etwa verschont blieben, weil es aufgrund von menschengemachten Hindernissen wie Quarantänen von Millionenstädten dort nicht hingelangen konnte, sondern weil das Virus eine Art Gedächtnis habe, dass es nach einer vorbestimmten Zeit aufhören lässt, sich zu verbreiten. Auch, so eine Implikation dieser Theorie, weiß das Virus, dass es sich gerade in einem Land, dass heißt einem Nationalstaat, einer politisch handelnden Einheit, ausbreitet.

Im selben Text und gleich im Anschluss folgt die erste Variante:

"Gerade die neusten Zahlen bestätigen ziemlich eindeutig die These, dass wir es auch in diesem Jahr mit einer Winterepidemie zu tun hatten, die im April ausläuft. In einigen Ländern hat sie mehr Opfer gefordert als die Influenza 2018 und in anderen weniger, wie in Deutschland. So wie es auch 2018 Länder gab mit besonders vielen Opfern wie seinerzeit in Deutschland oder weniger in anderen." (ebenda).

Nun kann die Epidemie offensichtlich nicht gleichzeitig eine "Winterepidemie" sein und ein invariantes Verlaufsprofil über die Zeit unabhängig vom Startzeitpunkt haben. Aber doppelt hält besser, dachte sich der Autor vielleicht. Wenn die epidemische Verbreitung des Virus auf den Winter beschränkt ist und gleichzeitig auch natürlicherweise nach 8 Wochen von selbst verschwindet, kann wirklich kein Grund für Gegenmaßnahmen bestehen.

Insbesondere bei Frank herrscht eine Schrotflintenmentalität: Weil das Ziel nicht Erkenntnis ist, sondern das Rekrutieren von Jüngern wird mit allem auf die herrschende Auffassung der Epidemie und der Sinnhaftigkeit der Gegenmaßnahmen gefeuert, was an Bruchstücken in wissenschaftlichen Texten aufzufinden ist. Die Idee dabei ist nicht, Einzelnes zu durchdenken, sondern dass irgendetwas beim Publikum schon hängenbleiben wird.

Doktor Frank kann nicht verstehen, dass man im Mainstream seinen Ideen nicht folgt. Bezogen auf den Ausbruch bei Tönnies in Gütersloh meint er unter dem griffigen Stichwort "Rinderwahn":

"Die Winterepidemie ist vorbei. Aber Regierung und Medien hören einfach nicht auf, die angebliche Bedrohung am Leben zu erhalten und uns an der Rückkehr zu unserem normalen Leben zu hindern (um die Scherben der letzten drei Monate aufzukehren). Jüngstes Beispiel: die zahlreichen positiven Tests in den Tönnies Schlachthöfen und die damit verbundenen Lockdowndrohungen (Karl Lauterbach warnt natürlich besonders). Das Beste ist, dieser neuen Panikmache mit Logik zu begegnen. So fällt auf, dass positive Testergebnisse immer wieder bei Mitarbeitern von Schlachthöfen gemessen werden. Zufall? Bringen wir Erkenntnisse zusammen, die eine vernünftige Erklärung dafür bieten könnten. Tun wir also wieder das, was die Verantwortlichen immer und immer wieder unterlassen." (https://www.achgut.com/artikel/bericht_zur_coronalage_23.06.2020_rinderwahn, abgerufen am 24.6.2020)

Die Winterepidemie sei vorbei. Da stören Ausbrüche wie etwa die Ende Juni 2020 im fleischverarbeitenden Betrieb Tönnies. Es stören auch Ausbrüche in Hochhäusern (zuletzt in Göttingen) oder das starke Ansteigen der Infektionszahlen in Berlin Ende Juni 2020 (https://blog.datawrapper.de/covid19-corona-berlin-second-wave/, abgerufen am 24.6.2020) - die werden von ihm an dieser Stelle schlicht verschwiegen. Es sollten auch die sommerlichen USA stören, die Ende Juni 2020 nach dem re-opening und einer leichten Abnahme der Infektionszahlen wieder Rekordinfektionszahlen aufweisen. Stattdessen bemüht Frank mehrere von ihm entwickelte "Optionen" der Erklärung des Ausbruchs. Keine davon zieht in Betracht, dass es sich tatsächlich um das Covid-19-Virus handeln könnte und nicht um bovine Coronaviren, was er gerne hätte. Jetzt herrschen in Schlachthöfen und insbesondere in den Zerlegeabteilungen winterliche Temperaturen und andere für die Verbreitung von Atemwegsinfektionen günstige Bedingungen. Als Nicht-Spinner, als der er gerne gelten würde, hätte er in Betracht zu ziehen, dass ein solcher epidemischer Ausbruch unter diesen Bedingungen zu seiner eigenen unbewiesenen Prämisse passte, der zufolge das Covid-19-Virus sich besonders stark im Winter, das heißt unter winterlichen Bedingungen, verbreitet und daraus eine weitere "Option" der Erklärung abzuleiten, nämlich dass die quasi-winterlichen Bedingungen zusammen mit den sonstigen Arbeitsbedingungen in Zerlegebetrieben förderlich für ein Hochkochen der Epidemie dort sein könnten. Nur ist eine solch einfache und recht "vernünftige Erklärung" nicht diejenige, die Frank in den Kram passt. Also versteigt er sich in der Theorie von den bovinen Coronaviren, die von den zerlegten Tieren auf die Menschen übertragen und fälschlicherweise in den folgenden PCR-Tests als Covid-19 eingeschätzt worden seien.

Zu stützen versucht er seine Theorie auch mit der scheinbaren Erkenntnis, dass bei der gängigen Nachweismethode einer Covid-19-Infektion eine derart hohe Falschpositivrate (von ca. 1 % aller Tests) herrsche, dass bei einer geringen Prävalenz Anfang Juni 2020 in Deutschland die gemeldeten Fallzahlen im Rauschen dieser Fehlerrate untergingen, dass somit davon ausgegangen werden könne, dass quasi gar keine Infektionen mehr vorlägen. Dies hat er zuerst in seinem "Bericht zur Coronalage 28.05.2020" (https://www.achgut.com/artikel/bericht_zur_coronalage_28.05.2020, abgerufen am 26.6.2020) entwickelt. Er bezieht sich dabei insbesondere auf ein Papier des INSTAND e.V., der Ringversuche durchführt, um derartige Testverfahren zu validieren (https://www.instand-ev.de/System/rv-files/340%20DE%20SARS-CoV-2%20Genom%20April%202020%2020200502j.pdf, abgerufen am 26.6.2020). Von dieser These lässt er auch nicht in seinen Überlegungen zum Ausbruchsgeschehen bei Tönnies ab.

Nur geht aus dem Papier zu dem Ringversuch  hervor, dass die Testergebnisse nach Genregion aufgeschlüsselt sind. Eine Genregion bei einem solchen Test ist ein bestimmtes Merkmal des zu detektierenden Virus. Eine daraus abgeleitete Falschpositivrate bezieht sich auf das Auffinden dieses einen Merkmals. Darauf weist das RKI seit einiger Zeit hin. Es weist auch darauf hin, dass gemäß WHO-Protokoll stets mindestens nach zwei solcher Merkmal zu suchen sei, was die Falschpositivrate erheblich senkt (idealisiert bei einer Rate von 1% pro Merkmal auf 0,01%):

"Bei niedriger Prävalenz und niederschwelliger Testindikation (einschließlich der Testung Asymptomatischer; s. Prätestwahrscheinlichkeit) ist ein "Dual Target Test" im Hinblick auf die Spezifität die Methode der Wahl. Die Targets unterscheiden sich ggf. in ihrer analytischen Sensitivität."(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html, abgerufen am 26.6.2020)

Man kann vermuten, dass das RKI Anfang Juni 2020 diesen Hinweis veröffentlicht hat, um Querdenkern wie Frank den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Richtlinien der WHO dazu aber sind schon recht lange publik (https://www.who.int/publications/i/item/laboratory-testing-for-2019-novel-coronavirus-in-suspected-human-cases-20200117, abgerufen am 26.6.2020) und man muss von einem promovierten Mediziner wie Frank erwarten, dass er sich entsprechend informiert. Dass bei den in Deutschland konkret verwendeten Nachweistests nur ein solches Merkmal gesucht wird und nicht, wie es das Protokoll verlangt mindestens zwei ist reine Unterstellung und feuchter Traum des Querdenkers.

Im Übrigen geriert er sich als Opfer derjenigen, die ihn unbegründet in einen Zusammenhang mit Esoterikern und Spinnern brächten und derjenigen, die "mit aller Macht, an der Legende der nützlichen Corona-Schutzmaßnahmen festzuhalten und dabei alle Gesetze der Logik und des Verstands zu brechen.":

"Professor Stadler hat sich dabei zu recht darüber beschwert, dass profunde Kritiker des Corona Missmanagements öffentlich in einen Topf gesteckt werden mit Esoterikern und Verschwörungsspinnern. In diesem Topf fühle ich mich ebenfalls äußerst unwohl. Aber in welchem Topf wollen wir denn sein und mit wem? Klar, im Topf der Vernunft und der etablierten Wissenschaft. Doch damit dieser Topf öffentlich dieses Etikett erhält, langt es nicht, dass sich darin nur pensionierte (emeritierte) Wissenschaftler, selbstständige, praktische Ärzte und Wissenschaftler, die in der Privatwirtschaft tätig sind, tummeln.

Ein solcher Topf bekommt derzeit keine politisch/mediale Durchschlagskraft. Denn die einflussreichsten Wissenschaftler sind die, die in den Hochschulen aktiv in Amt und Würden tätig sind und damit in den Gremien sitzen, die die Politik beraten. Solange diese en gros schweigen, erlaubt sich die Politik und die öffentliche Hofberichterstattung weiter mit aller Macht, an der Legende der nützlichen Corona-Schutzmaßnahmen festzuhalten und dabei alle Gesetze der Logik und des Verstands zu brechen." (https://www.achgut.com/artikel/bericht_zur_coronalage_23.06.2020_rinderwahn, abgerufen am 24.6.2020)

Sich aber Schnipsel aus verschiedenen Quellen zusammenzuklauben und eine wackelige Theorie von den bovinen Coronaviren zu basteln, die im Sommer auftreten, auf die Arbeiter bei Tönnies übergehen, als Covid-19-Viren missverstanden werden, während das Covid-19-Virus es nicht sein kann, weil es nur im Rahmen einer "Winterepidemie" auftritt und gleichzeitig nicht als Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es das Covid-19-Virus sein könnte, was sich unter quasi-winterlichen Bedingungen in Schlachthäusern verbreitet, kommt dem nahe, mit dem er die Befürworter von Corona-Gegenmaßnahmen diskreditieren möchte: "Rinderwahn".

Ein weiterer Vertreter der These, dass sich die Corona-Epidemie von alleine erledigen werde und buchstäblich kein menschliches Eingreifen notwendig sei, ist der Professor Stefan Homburg aus Hannover. Dieser hatte unter anderem recht früh die Lüge verbreitet, das Robert-Koch-Institut habe behauptet, dass mit mindestens 300,000 Corona-Toten zu rechnen sei.

Er ließ sich am 8. Mai auf Twitter aus und kam zu der menschenfeindlichen These, dass gegen die Ausbreitung von Viren gar nichts getan werde müsse:

"Schlussfolgerung: Man braucht nichts zu tun, um ein Virus zu stoppen. Jede Virenwelle erreicht ihren Höhepunkt und stoppt dann von selbst."

Das ist so trivial richtig wie ignorant falsch. Es ist richtig, weil eine endlich große Population, in der Immunität gegen das Virus entwickelt wird, irgendwann keine für das Virus empfänglichen Individuen mehr aufweist. Nur beobachtet der Professor aus Hannover keine Population von Tieren, die weitgehend invariantes Verhalten zeigen, auch dann wenn viele Exemplare erkranken  - eben weil sie Tiere sind -, sondern eine Population von handelnden Menschen, die Bilder aus Italien sehen und aus Sorge um die eigene Gesundheit und die ihrer Mitmenschen und insbesondere ihrer älteren Verwandten nicht mehr in den Sportverein gehen, Masken tragen und generell engen Kontakt zu anderen Menschen meiden oder - am anderen Ende des Spektrums - ohne Sinn und Verstand mitten in einer Pandemie Black-Lives-Matter-Demonstrationen abhalten oder in einer Trotzreaktion gegen die "Cuomo-Kommunisten" auf ihrer Freiheit beharren, ohne Maske bei Walmart einzukaufen.

Er versuchte diese Idee von der spontan abnehmenden Infektionstätigkeit dann mit einem Schnappschuss des Verlaufs der ILI-Raten (influenza like illnesses) der Datensammlung "Grippeweb" des Robert-Koch-Instituts von Anfang Mai 2020 zu illustrieren. Diese zeigt für 2019/2020 ein Abfallen der Fallzahlen auf nahezu Null:

Er kommentiert das wahrheitswidrig so:

"Zur Illustration hier die letzten deutschen Virenwellen. Alle stoppten von allein. Die schwarze Kurve (mit Lockdown) sieht nicht anders aus als die Kurven der Vorjahre (ohne Lockdown)."

Nach Auskunft des Robert-Koch-Instituts Anfang Mai 2020 hat es ein derart starkes Abfallen der Fallzahlen seit Etablierung dieser Statistik im Jahr 2011 jedoch nicht gegeben (Wayback Machine, aufgerufen am 13.6.2020). Im Übrigen zeigt die Kurve den saisonalen Verlauf der grippeähnlichen Erkrankungswellen. Es liegt nahe, hinter dem krassen Rückgang der Fallzahlen unter jeden Durchschnitt der letzten Jahre die kontaktreduzierenden Maßnahmen im Rahmen der Corona-Bekämpfung zu vermuten. Jedoch werden in dieser Statistik alle influenzaähnlichen Erkrankungen erfasst - das Grundrauschen an Erkrankten liegt dabei bei ca. 1 % der Bevölkerung und dieser Wert steigt zu Hochzeiten auf 2 bis 3 % der Bevölkerung. Das sind in Deutschland 0,8 bis 2,5 Millionen Menschen. Anfang April gab es aber nur ca. 70.000 aktive Corona-Fälle in Deutschland. Das heißt, dass die Zahl der mit Corona infizierten Menschen in dieser Statistik untergeht. Daraus kann selbstverständlich nicht geschlossen werden, dass Corona harmlos ist, nur sagt diese Statistik nichts über den Verbreitungsgrad von Corona aus. Allerdings dürfte die Statistik ein guter Indikator für die Bedingungen einer Ausbreitung von Corona darstellen. Zeigt die Statistik geringe Werte, so kann vermutet werden, dass die Bedingungen für die Ausbreitung einer Krankheit, die ähnlich wie Influenza weitergegeben wird, schlecht sind. Selbstverständlich können sich Menschen weniger leicht mit Atemwegsinfektionen  - ob grippeähnlichen Infektionen oder Corona - anstecken, wenn sie anderen Menschen fernbleiben, sodass diese die Erreger nicht über Tröpfchen oder Aerosole im engen Kontakt an sie weitergeben können.

Genauso offensichtlich und aus den selben Gründen gehorcht das Virus keiner 40 Tage / 8-Wochen-Regel: Wenn die Menschen ausreichend Abstand voneinander halten dauert die Epidemie nicht eine einzige Woche - sie wird nicht entstehen, weil initiale Fälle keine weiteren Personen anstecken. Wenn niemand in der Nähe ist - oder man durch eine mechanische Barriere von anderen potentiell Infizierten getrennt ist - wird man sich nicht anstecken. Das zu bestreiten liegt auf dem Niveau der Logik von Menschen, die an die Scheibenförmigkeit der Erde glauben.

Ein Blick auf die Zahlen des in diesen Kreisen als das große Vorbild propagierte Schweden zeigt, wie erfahrungsresistent derartige Vorstellungen sind. Schweden ist ein Land, das weniger harsche Gegenmaßnahmen getroffen hat. Es ist also ein Land, in dem das Virus sich ungehinderter verbreiten konnte. Aber auch dort kann es sich nicht ungehindert, also "natürlich" verbreiten. Es kommt jedoch dem Zustand, den Homburg implizit voraussetzt, näher. Die täglichen Infektionszahlen in Schweden machen keine Anstalten, zu sinken - sie zeigen zwar ein sich über längere Zeit hinziehendes Plateau, aber steigen im wesentlichen seit 100 Tagen.

(https://ourworldindata.org/grapher/covid-confirmed-daily-cases-epidemiological-trajectory?country=DEU~SWE)

Sie folgen auch keiner logistischen Kurve, weil bei weitem noch keine Sättigung, sprich Herdenimmunität eingetreten ist und weil es kein "natürlicher" Verlauf ist, der beobachtbar wäre, sondern weil die Zahlen durch menschliches Handeln beeinflusst sind.

Genauso wenig machen die Epidemieverläufe in den Ländern USA, Rumänien, Israel und Iran - allesamt Länder, die sich am Anfang des Sommers befinden - Anstalten, einer logistischen Funktion zu folgen, die Homburg gerne sähe, oder der fixen Idee der 40 Tage/8 Wochen-Regel Franks zu folgen.

(https://ourworldindata.org/grapher/covid-confirmed-daily-cases-epidemiological-trajectory?country=IRN~ISR~ROU~SWE~USA)

Noch dramatischer ist die Situation in einigen Bundesstaaten der USA:

(https://ig.ft.com/coronavirus-chart/?areas=usa&areas=isr&areas=irn&areas=rou&areas=chn&areas=swe&areasRegional=usfl&areasRegional=usca&areasRegional=ustx&areasRegional=usaz&areasRegional=ustn&areasRegional=ussc&cumulative=0&logScale=1&perMillion=0&values=cases)

Diese Regionen befinden sich alle am Anfang des Sommers, die Grippesaison ist seit Monaten vorbei und eine "Winterepidemie" des Covid-19-Virus findet dort nicht statt.

Doktor Frank findet aber - trotz Rekordinfektionszahlen in den USA: "In Europa und inzwischen in den USA ist die Infektion so gut wie vorbei. Brasilien wird zeitversetzt folgen." (https://www.achgut.com/artikel/bericht_zur_coronalage_23.06.2020_rinderwahn)

Der Eindruck drängt sich auf, dass Homburg anderes im Sinn hat, als als Wissenschaftler Zusammenhänge zu beleuchten. Wer sich auf Querdenker-Demos rum treibt (https://www.youtube.com/watch?v=SrRBlIrEaYY), zusammen mit Ex-RTL-Sprecherinnen Unwahrheiten über das Robert-Koch-Institut (https://youtu.be/Vy-VuSRoNPQ?t=296) und derartigen hier dargestellten Unsinn verbreitet, hat kein genuines Interesse an Wissenschaft. Es ist zu hoffen, dass die von AIDS- und Ebola-Epidemien heimgesuchten afrikanischen Staaten nicht auf diese Karikatur eines Wissenschaftlers aus Hannover hören werden. Jedenfalls hätte man so die Pocken in den 1960er und 70er Jahren nicht augerottet.

Doktor Gunter Frank ist kein Wissenschaftler. Aber er ist Arzt und als solcher ist er ebenfalls verpflichtet, medizinische Sachverhalte richtig darzustellen. Als Arzt ist er ebenfalls verpflicht, Hokuspokus wie "Ausleitverfahren", "Neuraltherapie" und Homöopathie als solches darzustellen und nicht, wie er es tut, sich den Esoterikern unter seinen Patienten mit entsprechenden Überzeugungen anzudienen:

"In meiner langjährigen Tätigkeit als Arzt habe ich sehr viele naturheilkundliche Fortbildungen absolviert, war in Fachgesellschaften aktiv  und erhielt verschiedene Diplome, von der Neuraltherapie, bis hin zu fast esoterisch anmutenden Methoden wie der Physioenergetik oder Kinesiologie. Auch auf dem Feld der Homöopathie habe ich ebenso Erfahrung sammeln können. Im praktischen Einsatz habe ich jedoch besonders die modernen, alternativmedizinischen Verfahren wieder verlassen, da ich keine besondere und vor allem keine anhaltende Heilwirkung feststellen konnte. Schließlich ist es mir auch ein Anliegen, meine Patienten vor manchen fragwürdigen (und teuren) alternativmedizinischen Therapien zu schützen, die vieles versprechen und wenig halten. Bei den Klassikern dagegen bin ich mit Überzeugung geblieben."

(https://www.gunterfrank.de/naturheilverfahren)

Das magische Denken allerdings, was sich etwa in der Idee ausdrückt, die Fallzahlen würden in jedem Nationalstaat unabhängig von den dort getroffenen Schutzmaßnahmen 40 Tage lang stark anwachsen, um dann rasch zu fallen und schließlich zu verebben, die Frank gegen die Empirie trotzig verbreitet, dürfte ihm nicht nur mehr Kunden bescheren, die auf  "alternative Fakten" erpicht sind, sondern legt nahe, dass bei ihm keine innere Distanz zu Homöopathie und Ähnlichem besteht. Und so ist es zwar ein verständlicher, aber nicht leicht zu erfüllender Wunsch,  nicht "in einen Topf gesteckt [zu] werden mit Esoterikern und Verschwörungsspinnern".

Frank und Homburg, die leider immer noch von einer gewissen Respektabilität zehren können, beliefern mit dem Unsinn, den sie verbreiten, die Querdenker der Nation von Anti-Gates-Spinnern über die Rechtsliberalen, für die Merkel per se nichts richtig machen kann bis hin zu Fraktionen der Antideutschen, für die hinter den Anti-Corona-Maßnahmen der nächste Faschismus lauert und diese Maßnahmen Ausdruck eines um sich greifenden Gesundheitswahns sind mit scheinwissenschaftlichen Unterfütterungen und erodieren so das adäquate Verständnis der Covid-19-Epidemie. Dies wird mehr Kranke und Tote zur Folge haben, als möglich wäre.